„Wir müssen mehr Kümmerer gewinnen“ – Interview mit Verbandsjugendleiter Rainer Bommer

Nach dem Rücktritt von Rainer Lauffer hat Rainer Bommer das Amt kommissarisch übernommen. Mit ihm haben wir über seine Aufgabe, die größten Herausforderungen im Jugendbereich und seine Ideen gesprochen.

Saarfußball-Magazin: Stell Dich bitte kurz vor! 

Rainer Bommer: Ich heiße Rainer Bommer, bin 67 Jahre alt, Schulleiter im Ruhestand, verheiratet, wohne in Lindscheid (Gemeinde Tholey). Ich bin Mitglied in den Fußballvereinen SV Überroth, SV Limbach-Dorf und JFG Schaumberg-Prims. Seit meinem 19. Lebensjahr war und bin ich in den verschiedensten Bereichen der Jugendarbeit tätig: als Trainer von Jugendmannschaften von der G-Jugend bis zur A-Jugend, als Stützpunkt- und Auswahltrainer, als Jugendleiter im Verein sowie als Mitarbeiter im Verbandsjugendausschuss des SFV, darunter sieben Jahre als Verbandsjugendleiter, sowie im Talentförderbereich.

Warum bist Du nach dem Rücktritt von Deinem Vorgänger wieder als Verbandsjugendleiter tätig geworden? 

Nach dem Rücktritt meines Vorgängers bin ich von vielen Seiten im regionalen und überregionalen Bereich aufgefordert worden, mich nochmals als Verbandsjugendleiter zur Verfügung zu stellen. Nach den einstimmigen Befürwortungen durch den Verbandsjugendausschuss und den Verbandsvorstand habe ich schließlich zugesagt, das Amt kommissarisch bis zum nächsten Verbandstag 2026 zu übernehmen. Ich habe in meinem Leben viel durch den Fußball bekommen, ich will zumindest etwas davon dem Fußball zurückgeben.

Wie sieht denn die Arbeit eines Verbandsjugendleiters aus? 

Die Frage ist wegen der Komplexhaftigkeit der Aufgabenstellung schwierig zu beantworten. Gemäß Jugendordnung ist „der VJL Mitglied des Verbandsvorstandes, sowie Vertreter des SFV in Juniorenangelegenheiten gegenüber dem Fußball-Regional-Verband Südwest und dem DFB. Seine Aufgabe ist die Koordinierung aller dem Verbandsjugendausschuss obliegenden Aufgaben. Seine Zuständigkeit erstreckt sich auch auf die verantwortliche Durchführung des gesamten Juniorenspielbetriebes sowie die   Regelung aller spieltechnischen Fragen und die Erteilung der Spielerlaubnis.“

Hinter diesen eher etwas dürren Worten verbirgt sich zum einen ein hohes Maß an Treffen, Sitzungen, Tagungen und Veranstaltungen auf regionaler und überregionaler Ebene. Zum anderen kann der VJL diese Aufgaben nicht allein erledigen, sondern ist auf ein Team von Mitarbeitern in den einzelnen Kreisen angewiesen.  Nur in Zusammenarbeit mit diesen lassen sich vor allem die spieltechnischen und spielorganisatorischen Aufgaben erfolgreich erfüllen.

Eine weitere, für mich wichtiger Aufgabe ist die Unterstützung der Vereine bzw. der in den Vereinen vor allem im Jugendbereich Tätigen durch Information, Beratung, Aufzeigen von Möglichkeiten, Wegen und Chancen. Für mich persönlich ist die Zusammenarbeit mit den Vereinen, das Dasein für die Jugendmitarbeiter in den Vereinen der zentrale Punkt: der VJL als Dienstleister für die Vereine.

Was hast Du in Deinem neuen Amt schon unternommen? 

Nach der vierjährigen Abwesenheit war und ist es zunächst einmal wichtig zu erfahren, welches sind die Mitarbeiter und Zuständigen in den einzelnen Gremien und Ausschüssen auf Verbands- und auf Kreisebene, welche spieltechnischen und spielorganisatorischen Gegebenheiten müssen umgesetzt werden, welche Verfahrens- und Vorgehensweisen sind neu.

Hilfreich waren intensive Gespräche auf der Geschäftsstelle, die Tagung mit den Jugendleitern im Kreis Nordsaar sowie die Tagung mit den Vereinen, von denen eine Mannschaft in den Verbandsligen bzw. in der Qualifikation zu den Landesligen spielen. In einer ersten Sitzung der Spielkommission im Verbandsjugendausschuss wurden die weiteren notwendigen Handlungsfelder abgesteckt und umrissen.

Und letztlich gab es schon eine große Menge an Telefonaten, die geführt werden mussten, und eine noch größere Menge an Emails, die zu bearbeiten waren.

Welche Punkte stehen in der nächsten Zeit auf der Agenda Deines Teams?

Durch die Neuerungen im DFBnet können die Spielenachmittage bzw. Turniere der G- und F-Jugend nicht mehr in gewohnter Form angelegt werden. Die Kreise haben selbständig unterschiedliche Lösungen für dieses Problem erarbeitet. In der Winterpause soll eine Evaluierung dieser verschiedenen Lösungswege auf Effektivität und Effizienz hin erfolgen.

Sowohl im Kinderfußball als auch in der Gestaltung der Qualifikationsrunden sowie in der Meisterrunde der Verbandsliga sind neue Formen eingeführt worden. Zum einen sollen bei den Umsetzungen die Vereine intensiv informiert, beraten und unterstützt werden. Umgekehrt sollen in Rücksprache mit den Vereinen die Neuerungen begutachtet und bewertet werden.

Ein weiterer Punkt ist die Gewinnung von guten Mitarbeitern sowohl innerhalb der Vereine wie auch für die verbandlichen Gremien auf Kreis- und Landesebene. Ein wesentlicher Punkt sind vielfältige, gut erreichbare Bildungsangebote für Interessierte sowohl im fußballspezifischen Trainings- und Übungsbereich wie auch im überfachlichen organisatorischen Bereich wie z.B. Betreuer, Jugendleiter, Mediatoren, Vereinsberater.

Was sind aus Deiner Sicht derzeit die größten Herausforderungen im Jugendfußball? 

Hier sind mehrere zu benennen: die immer größer werdende Zahl der Jugendlichen, die zwar mit dem Fußballbeginnen, dann sich aber wieder vom Fußball abwenden (Drop-out-Problematik), der Erhalt und die Sicherung des Fußballs im B- und vor allem A-Juniorenbereich, der immer größer werdende Erfolgsdruck schon im Kinderfußball und bei Mannschaften in den unteren Spielklassen, die immer größer werdende Emotionalität und auch Aggressivität auf und neben dem Spielfeld nicht zuletzt auf Grund dieses Erfolgsdruckes, die Gewinnung von Trainern, Betreuern, „Kümmerern“, die den Fußball als das vermitteln, was er eigentlich sein soll: ein Spiel, das in einem Team Spaß und Freude machen kann, auch wenn man hin und wieder verliert.

Du warst bis vor kurzem Jugendleiter Deines Heimatvereins SV Überroth und bist schon seit vielen Jahren als Trainer aktiv. Was hat sich im Jugendfußball in den letzten drei Jahrzehnten verändert? 

Positiv zu benennen sind die verbesserten Rahmenbedingungen wie Kunst- und Naturrasenplätze; Sportheime; Übungs- und Trainingsmethoden; den Kindern und Jugendlichen angepasste Spielformen; die Ausstattungen der Mannschaften; größeres mediales Interesse am Fußball (u.a. durch die social media); größeres Interesse im direkten familiären Umfeld eines Spielers oder einer Spielerin; die digitale Bearbeitung des Fußballs im DFBnet.

Nicht so positiv sind grundsätzliche gesellschaftliche Entwicklungen, die sich auch im Fußball widerspiegeln: immer größer werdender Erfolgsdruck (nur der Erste zählt); wachsende Emotionalität und Aggressivität auf und neben dem Platz; zurückgehender Respekt gegenüber dem Schiedsrichter und dem Spielgegner auf und neben dem Platz; zurückgehende Teamfähigkeit vieler Jugendlicher als Folge der  immer größer werdenden „Individualisierung“; die Bereitschaft, sich ernsthaft für ein Ziel zu bemühen und sich anzustrengen; das Freizeitangebot für den einzelnen.

Wenn Du einen Wunsch im Jugendbereich frei hättest, welcher wäre das? 

Dass die Jugendarbeit in den Vereinen (in allen (!) Vereinen) auf allen Ebenen (gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich) die Anerkennung und die Wertschätzung erfährt, die der Jugend als „unsere Zukunft“ zukommt.

Vielen Dank für das Interview!

 

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